14/05/2024

Ein Protagonist namens Markus S. Facher wandert durch die weststeirische Landschaft und überlegt, eine Groteske zu schreiben. Er selbst nämlich, will er in der Erzählung darstellen, habe den Despoten auf dem Roten Platz geohrfeigt. Zuhause aber überkommen ihn Skrupel ob der nachgerade lächerlichen Aktion – zumal diese auch noch imaginiert ist, erfundene Handlung und nichts anderes als aus Verzweiflung erwachsenes Bild, ohnmächtig gegenüber medial vermittelten Bildern des wirklichen Krieges.

Die Kolumne Wolkenschaufler von Wenzel Mraček zu Lebensraum, Kunst und Kultur(-politik) erscheint jeden 2. Dienstag im Monat auf GAT.

14/05/2024

Sigi Faschingbauer präsentiert EINESWEGS im Alten Kino Leibnitz

©: Wenzel Mraček

Sigi Faschingbauers Ausstellung EINESWEGS

©: Wenzel Mraček

Sigi Faschingbauers Ausstellung EINESWEGS

©: Wenzel Mraček

Sigi Faschingbauers Ausstellung EINESWEGS

©: Wenzel Mraček

Sigi Faschingbauers Ausstellung EINESWEGS

©: Wenzel Mraček

Wie in dieser sind die Ebenen der fünf „Geschichten“ des Autors und Malers Sigi Faschingbauer mehrfach verschachtelt: Von Erlebnissen und Gedanken Markus S. Fachers wird erzählt, dann wieder scheint es, als erzählte Facher selbst, wenn er beispielsweise die Mythen um die Geburt des Dionysos auf sehr subjektive Weise paraphrasiert. Dass man in Facher ein Alter Ego des Autors vermuten darf, verdeutlicht letztlich die Erzählung um den Schlussapplaus, in der sich Facher, wieder auf seinem „Weg aus dem Graben“, an die jetzt fernen – und die verstorbenen – Freunde im schon vor Jahren geschlossenen Grazer Künstlertreff l’Angolo erinnert.

Und einmal mehr verwischt der Autor Sigi Faschingbauer Wirklichkeit und Fiktion, kommt mir als Markus S. Facher entgegen, wenn er dem Wolkenschaufler von der Entstehung seiner „Geschichten“ erzählt. Zweimal in der Woche nämlich gehe er, Faschingbauer, entlang eines Weges, „den es nicht gibt“, der von seinem Haus durch die Landschaft zu einem Buschenschank führt und auf dem er – Faschingbauer nun oder Facher? – erlebt und durchdenkt, was in den „Geschichten“ festgehalten wurde.

Die Schrift und ihr Bild als Handschrift sind durchgängige Motive des 1940 in Graz geborenen Literaten und bildenden Künstlers Sigi Faschingbauer. Dabei führt oft die Idee zur tatsächlich umgesetzten Performance und andernfalls in die beschreibende Fiktion. Beispielsweise veröffentlichte Faschingbauer 2004 sein „Kunstkochbuch“ Polenta Magenta, das von literarisch und malerisch ausgearbeiteten Kochrezepten um den „Sterz“ handelt. „12 Module“ gingen dem Projekt voran, wie etwa das Anlegen eines Maisfelds in der Gemeinde Gamlitz und künstlerische Landschafts-Installationen von Kolleginnen und Kollegen in Kroatien, Slowenien, Kärnten und Friaul. Im September 2004 dann, zur Zeit der Maisernte und auf einem 250 Meter langen Abschnitt der Straße zwischen Gamlitz und Kranachberg, malte Sigi Faschingbauer die „Spontandichtungen“ der anwesenden Literaten Andrea Seiler, Günter Eichberger, Martin Wanko, Joachim J. Vötter und Feri Lainšček magentafarben auf den Asphalt.

Gemalte Porträts der Protagonisten des Bebop und Modern Jazz waren Teil des Projekts Thelonious Monk’s Walk 2005. Die gleichnamige Erzählung des Jazz-Connaisseurs Faschingbauer handelt dabei von Begebenheiten um die fiktive Freundschaft zwischen Lester Young und Thelonious Monk. Auf seinem Weg durch New York City zum Apartment von Lester Young sieht Monk einen Künstler am Straßenrand, der den Text der Erzählung – in der Erzählung – auf die Straße malt.

In der Grazer edition keiper ist im vergangenen Jahr Faschingbauers Erzählband EINESWEGS – ERINNERT, ERLOGEN, GEGANGEN erschienen. In einem zusätzlichen Werkbuch finden sich auch Abbildungen des nun im Alten Kino in Leibnitz präsentierten Zyklus von Tafelbildern desselben Titels.

Was sich der Autor Faschingbauer in Gedanken ausmalt, wird verschriftlicht und die Schrift wird ausgemalt als Tafelbild. In den vergangenen zwei Jahren sind 63 malerische Werke entstanden, in denen besagte Erzählungen in skripturale Malerei – inhaltlich weitgehend, den Texten entsprechend – übertragen, wenn nicht transkribiert wurden. Die Form der grafisch gestalteten Oberflächen vor – „stimmungsbedingt“ – farblichem Grund entspricht Faschingbauers Handschrift. Dabei unterscheiden sich die einzelnen Arbeiten insofern, als oft mehrfach übermalt respektive überschrieben wurde, dann wieder Schrift sichtlich dominiert und schon beinahe lesbar ist, während die Kompositionen über den Bildraum zumeist einem All Over entsprechen. Das gestische respektive das Malen von Schrift ist hinsichtlich der Körpertechnik freilich auch in Abhängigkeit zum gewählten Format zu bedenken. Während an den großen Leinwänden der ganze Arm des Künstlers gefordert ist, reduzieren sich an den kleineren Formaten auf Bütten die Bewegungen auf den Unterarm und das Handgelenk. Der malerische Prozess wie die entstehende Form nähern sich also, durch Reduktion der bearbeiteten Fläche, dem handschriftlichen Schreiben an. Die Handschrift bleibt als solche zwar identifizierbar, wird durch die Überlagerungen und Gestik aber zum Ornament.

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Sigi Faschingbauers Ausstellung EINESWEGS ist bis 1. Juni zu sehen. 
Wo? Altes Kino, Bahnhofstraße 16, Leibnitz. 
Information unter www.galeriemarenzi.at und www.leibnitz-kult.at

Passende Publikation: Sigi Faschingbauer: EINESWEGS – ERINNERT, ERLOGEN, GEGANGEN. Graz, edition keiper, 2023. ISBN 978-3-903575-09-7

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