Berlin ... kommentierte Fotoserie, Teil 2, Emil Gruber, Sommer 2018
Emil Gruber zog es 2018 wieder einmal nach Berlin Seine Eindrücke hielt er bild- und textdokumentarisch fest. Lesen Sie dazu auch seinen Essay Berlin ... Alles bleibt besser – 2.
Berlin. Hermannplatz, 2 Uhr 30 frühmorgens. Einer der zehn Plätze, die man als Besucher Berlins zu meiden hat – Neukölln ist das Detroit von Berlin und immer gut für eine schlechte Nachricht –, hieß es lange im Boulevard. Ein unkontrollierbarer Bevölkerungsmix mit über 300.000 Einwohnern aus knapp 160 Ländern, hohe Arbeitslosigkeit, Ghettostrukturen, Bandengebiet mit entsprechender Kriminalitätsrate, katastrophale Zustände an Schulen, drohte der Boulevard.
Berlin. Da passt es gut ins Klischee, wenn eine Gruppe durchgeknallter Feiernder der legendären, heuer 100 Jahre alt gewordenen, Musikalienhandlung Bading ein abruptes Ende setzten. Böller, durch ein vorab eingeschlagenes Schaufenster geworfen, lösten in der Silvesternacht 2017 einen Brand aus, der das Geschäft und die alte Neon-Leuchtschrift vollständig zerstörte.
Berlin. Für jeden Kiez gibt es eine Grundregel: Unterm Pflaster liegt der Strand. Das lebendige Neukölln zeigt sich so richtig auf den zweiten Blick – wie hier bei den bestens besuchten sonntäglichen Konzerten im Körner-Park, die vom hier lebenden, österreichischen Jazzmusiker Paul Schwingenschlögl kuratiert werden.
Berlin. Der teilweise dörflich wirkende Kiez verändert sich nachhaltig. Nachdem Kreuzberg und Friedrichshain immer hipper wurden, zog es viele Kreative und Studenten hierher. Aber günstiges Wohnen wird langsam rar.
Berlin. Wie bei jeder Gentrifizierung setzen Szenekneipen und bunte Geschäfte erste Duftmarken. Die Sonnenallee und die Gegend rund um den Hermannplatz sind längst schon Touristen-Magneten geworden.
Berlin. Manche Neuköllner Geschäftstitel wirken dagegen in ihrer Improvisation beruhigend, weiterhin nur ansatzweise vertrauenserweckend.
Berlin. Szenebands wie die Feminists – wie hier in der Werkstatt der Kulturen – transportieren schon besser ihre Corporate Identity vor's Publikum.
Berlin. Reinhold Kiehl (1874 – 1913) wurde 1904 Stadtbaumeister in Rixdorf, dem heutigen Neukölln. Er förderte nachhaltig damals junge Architekten wie Mies van der Rohe, Franz Hoffmann oder die Gebrüder Taut. Obwohl Kiehl nur ein kurzes Leben hatte (Er starb 39jährig an einem Herzinfarkt) prägte er mit seinen Bauten wie das Rathaus oder das Stadtbad nachhaltig das Stadtbild des Kiezes. Auch der in der Karl-Marx-Straße zu findende Komplex der Neuköllner Oper und des Passagen Kinos, stammt von Kiehl. (Hier der rückseitige Durchgang der Passage.)
Berlin Tempelhof. Die Gebäude werden seit damals für unterschiedlichste Veranstaltungen, wie Messen, Ausstellungen oder als Drehort genutzt. Eine Sanierung des stark in die Jahre gekommenen, gewaltigen Komplexes wird auf rund eine halbe Milliarde Euro geschätzt.
Berlin Tempelhof. Seit einiger Zeit hat auch die Berliner Redaktion unseres Online-Portals in Tempelhof ihren Sitz (ok, das sind jetzt Fake-News). Richtig ist: Im ehemaligen General Aviation Terminal befindet sich mittlerweile ein Besucherzentrum.
Berlin Tempelhof. Ein Teil des Objektes beherbergt Berliner Polizeipräsidium. Die zweitgrößte Einzelbehörde des Landes hat 25.000 MitarbeiterInnen. Der Kantine wurde mittlerweile durch den Einzug einer Zwischendecke die noch aus der NS-Zeit stammende bombastische Raumhöhe genommen. Einige Szenen des Stauffenberg Films mit Tom Cruise wurden hier gedreht.
Berlin Tempelhof. Das ehemalige Flugfeld ist seit 2010 für die Öffentlichkeit durch zehn Eingänge tagsüber zugänglich. Verschiedenste Initiativen nutzen die 386 Hektar des Geländes (Der New Yorker Central Park ist im Vergleich dazu um 35 Hektar kleiner).
Berlin Tempelhof. 'nuture Art' nennt sich die aus 18 Kunstwerken bestehende Installation. Die einer Minigolfanlage nachempfundenen Objekte setzen sich mit ökologischen Zukunftsfragen auseinander.
Berlin Tempelhof. 2017 wurde am Tempelhofer Feld ein Containerdorf für Flüchtlinge errichtet. Die 'Tempohomes' bieten Platz für 1000 Menschen.
Berlin. Neben Neukölln begrenzt Tempelhof auch Kreuzberg. In der Fidicinstraße befindet sich auf dem Gelände einer ehemaligen Brauerei seit 1997 das Archiv der Jugendkulturen. Seine Bibliothek umfasst unter anderem die größte Fanzinesammlung Europas.
Berlin. Wäre Joseph Kyselak auch nach Berlin gekommen, er hätte seine Freude mit den Tags hier gehabt. Kreuzbergs Graffiti-Szene kennt für ihre territorialen Markierungen keine Höhenangst.
Berlin. Während die einen sprayen, unterhalten andere die an roten Ampeln wartenden Autofahrer mit artistischen Einlagen.
Berlin. Tattersall war einmal eine Reitschule mit Pferdevermietung. Der Tattersall des Westens wurde 1893 in Charlottenburg rund um die S-Bahnbögen gebaut. Ein Großteil des Objektes wurde 1945 durch einen Bombenangriff vernichtet. 1954 übernahm Franz Diener das zum Tattersall gehörige unbeschädigte Restaurant und baute es zu Künstlerkneipe um, die bis heute eine Berliner Institution geblieben ist.
Berlin. 1968 nach Plänen von Hermann Fehling und Daniel Gogel erbautes Objekt am Halleschen Ufer. Die beiden Architekten hinterließen quer durch Berlin einige markante Bauten, u.a. auch das Max-Planck-Institut in Wilmersdorf.
Berlin. Eine Serie von Wohnbauten mit rund 2000 Wohnungen entstand 1969 nahe der Mauer im Osten an der Leipziger Straße. Ein Gerücht besagt, die acht Hochhäuser sollten dem recht nahe liegenden Axel-Springer-Verlagshaus und den am Dach befindlichen Werbetafeln die Sichtbarkeit nehmen.
Berlin. Werner Düttmann (1921 – 1983) war einer der führenden Stadtplaner im Nachkriegsberlin. Die 1976 in der Kreuzberger Hedemannstraße entstandene Wohnanlage war an Balkonen den im Osten errichteten Pendants klar überlegen.
Berlin. Unweit davon Ecke Wilhelmstraße / Theodor Wolff Park sind am Tommy Weisbecker-Haus noch Graffiti Klassiker aus 1989 zu sehen. Weisbecker war ein linksradikaler Aktivist, der bei einem Polizeieinsatz getötet wurde. Das Haus wurde 1973 besetzt und ist mittlerweile eine anerkannte Jugendwohngemeinschaft.
Berlin. Die 'Distel' nahe dem Bahnhof Friedrichstraße wurde 1953 in Ost-Berlin gegründet und ist eines der ältesten bestehenden politischen Kabarett-Theater Deutschlands.
Berlin. Nach wie vor gelungen – die Fassade des von Stephan Braunfels geplanten Marie-Elisabeth-Lüders-Haus an der Spree im Regierungsviertel.
Berlin. Auch der 'Kudamm' hat ein generelles Lifting erfahren. Aus dieser Perspektive verschmelzen beinahe die Fassaden der Gedächtniskirche und des 2017 fertiggestellten UPPER WEST, dem mit 119 Meter höchsten Gebäudes Berlins. Ausführender Architekt war Christof Langhof, Bauherr die Signa Group des österreichischen Immobilienentwicklers Rene Benko.
Berlin als Experiment, selbst auf den letzten Blick aus dem Flugzeug: Der ehemalige Flughafen Tempelhof….