20/03/2024

„Der bestehende Gebäudekomplex wird ab 2027 abgerissen.“ So beginnt am 18.3.2024 ein ORF Artikel über die Entwicklungspläne des neuen Bildungsstandorts auf dem Gelände der alten Wirtschaftsuniversität am Wiener Althangrund. 150.000 m² neu gebaute Nutzfläche soll in Zukunft zur Verfügung stehen. Am selben Tag hatten die Stadt Wien, der Bezirk, die ÖBB, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), die Universität Wien und die BOKU das 1-Milliarden teure Neubauprojekt der Presse vorgestellt.

20/03/2024
©: Redaktion GAT

Ja, hat man denn nichts gelernt? Keine 6 Monate zuvor an gleicher Stelle zeigte die wirklich gute Ausstellung „Sorge um den Bestand“, was möglich ist, wenn nicht abgerissen wird. 10 Beispiele und entsprechende Handlungsprämissen vermittelten die Kurator:innen Laura Holzbergin, Olaf Bahner und Matthias Böttger. Es wäre ein Einfaches gewesen, den Ausstellungsort direkt in ein Experimentierfeld und insbesondere zu einem Pilotprojekt im Sinne einer ernsthaften Sorge um den Bestand zu machen.

Aber ach! Planungen sind zäh, Planungsentscheidungen werden weit im Voraus getroffen und kaum einer hat die Chuzpe Geplantes umzudenken – um-zu-bauen. Wobei, man liest, es gäbe noch gar keine genauen Pläne, man stehe kurz vor einem „städtebaulichen Wettbewerb“, so Stadträtin Sima.

Schade! Nein, unglaublich fad. So wird das nichts mit der Vorreiterrolle für eine nachhaltige und klimabewusste Planungskultur. So wird es nichts mit dem Abschied vom CO2-Verschleudertrauma, das Österreichs Städte und Gemeinden schon länger mit sich herumschleppen.

Aus Interesse: Wurde ausreichend evaluiert, was klimaschonender ist – Abriss oder Umbau? Gibt es Studien dazu, die eine Nachnutzung dem Abriss gegenüberstellen und jeweils die ökologischen wie auf lange Sicht ökonomischen Aspekte vergleichen? Kurz, auf welche Daten stützen die Projektträger ihre Entscheidungen zum Abriss?

Bevor die Lust auf das komplexe Vorhaben vergeht, gibt es Vorteile zu nennen, die eine Neuordnung des Areals mit sich bringen. Die geplante Zugänglichkeit aus dem Stadtviertel auf Straßenniveau ist einer davon, versprochene neue Freiflächen ein anderer. Ein städtebaulicher Wettbewerb ist für Sommer 2024 geplant und soll diese Durchlässigkeit thematisieren. Anschließend soll 2025 erst der Flächenwidmungsplan überarbeitet werden und dann ein Bebauungsplan folgen. Eine offene Diskussion über diesen Fahrplan und den Neubau müsste deshalb spätestens ab jetzt geführt werden.

Es bleibt ein kleines Zeitfenster, um zumindest den kompletten Abriss öffentlich infrage zu stellen. Geplant ist dieser ab 2027. Ob im Wettbewerb ein Beitrag eine Alternative zum großen Abriss städtebaulich und architektonisch wagen wird? Und werden am Ende Flächen entsiegelt? Da der Gebäudekomplex größtenteils auf einer Betonplatte über dem Franz-Josef-Bahnhof steht, ist Entsiegelung hier kein Rückgewinn an Grünräumen oder natürlicher Bodenflächen. Der Plan sieht eine 1,5m dicke Erdschicht vor, um darin Bäume anzupflanzen. Man könnte mit dem bestehenden Plateau auch expliziter umgehen. Auch in Anbetracht dessen, dass die Bahnhofsüberbauung und das WU-Hauptgebäude an der Althanstraße bis 1982 von Kurt Hlaweniczka gemeinsam mit Karl Schwanzer entworfen und realisiert wurden.

Die BOKU – Universität für Bodenkultur – ist einer der neuen Nutzer des Areals. Könnte so viel wissenschaftliches Know-how zum Thema Bodenschutz und Klimawandel vor Ort doch noch eine Wende auslösen? Laut Projektverantwortliche werden Bestandsnutzung, Kreislauffähigkeit und ressourcenschonender Einsatz von Baumaterialien angestrebt. 40% der Tragstruktur will man dennoch nur erhalten. Wenn der Abriss kommt, sollte eine passende Planung der Wiederverwendung der Materialien vorliegen, es sollte nachgewiesen sein, dass ein Erhalt nicht ressourcenschonender und nachhaltiger wäre. Einen rein monetär motivierten Abriss kann man sich heute gar nicht leisten. Robert Temel, Sprecher der Plattform Baukulturpolitik, schreibt es in einem Kommentar (Social Media) passend zusammen: „Man müsste nicht enorme Mengen an Beton abreißen und durch enorme Mengen an Beton wieder ersetzen.“ Gemeint ist damit auch, dass die Lebenszyklusbilanz des Bestands nach etwas mehr als 30 Jahren Nutzung und 10 Jahren Zwischennutzung bislang nicht ausgeglichen ist. Im Prinzip sind die bestehenden Gebäude noch zu jung zum Sterben.

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+