BauherrInnen, die ein Haus errichten um selbst darin zu wohnen, sind eine Ausnahme im städtischen Wohnungsbau. Da sie aber ein konkretes Interesse an den entstehenden Qualitäten haben, lohnt es sich, nach ihnen zu suchen. Aus dieser Überzeugung entwickelten KABE Architekten ein Baugruppenkonzept, das anders als in Wien derzeit üblich, auf einen Bauträger verzichtet. Wie beim privaten Hausbau übernehmen die zukünftigen BewohnerInnen die BauherrInnenschaft. Das heißt, sie treffen Entscheidungen und tragen die unternehmerische Verantwortung. Damit dies in einer Gruppe von zehn BauherrInnen gelingt, haben KABE Architekten zusätzlich zu den Planungsaufgaben die Projektentwicklung übernommen und die Baugruppe in unternehmerischen Fragen beraten.
Gründerin der Baugruppe ist Karin Pernkopf. Sie kaufte – überzeugt von der Idee der Architekten – im Sommer 2012 das Grundstück Haberlgasse 81 in Wien-Ottakring. Die Architekten entwickelten für die Baulücke ein Konzept mit weitgehend offenen Grundrissen und suchten damit die weiteren neun Mitglieder der Baugruppe.
Als im Sommer 2014 die Baugbewilligung nach einem intensiven Abstimmungs- und Genehmigungsprozess mit den Behörden erteilt wurde, war die Baugruppe bereits vollständig, sodass ohne Verzögerungen mit dem Bau begonnen werden konnte. Nach elf Monaten Bauzeit und drei Jahre nach Projektbeginn wurde das Haus Anfang Oktober 2015 fertiggestellt. Nun wird das Haus als ein innovatives und anregendes Beispiel in die Ausstellung Gebaut 2015 der Magistratsabteilung für Architektur und Stadtgestaltung (MA 19) aufgenommen und am 14. September 2016 mit dem Architekturpreis Schorsch ausgezeichnet.
Die Geschoße sind so angelegt, dass je fünf Wohnungsgrößen mit 50 bis 150 Quadratmetern angeboten werden können. Mit einer Wohnungstreppe nach oben erweitern sich die Optionen auf neun Wohnungsgrößen. Ziel war es, großzügige Räume zu schaffen, die sowohl als Single, Paar oder Familie bewohnt werden können. Im Zentrum der Wohnungen liegt ein Raum für gemeinsame Aktivitäten: Kochen, Essen, Reden, Beisammensein aber auch für das Ankommen und Verteilen. Die Konzentration der Nutzungen, die üblicherweise auf verschiedene Zimmer aufgeteilt werden, ist ein Rückgriff auf bäuerliche Vorbilder, das niederdeutsche Dielenhaus und den skandinavischen Allraum. In der Haberlgasse erstreckt sich dieser Raum über die ganze Haustiefe. Große Fenster erweitern ihn bis in die Balkone an der Straße und im Hof. Mit weitspannenden Decken und leichten Trennwänden konnte jede Wohnung an die Wünsche ihrer BewohnerInnen angepasst werden. Die Individualbereiche – Arbeitszimmer, Schlafzimmer, Bad und WC – liegen an der Wohnungsperipherie und bleiben zugunsten des Allraums kompakt. War eine enge Beziehung zum Zentralraum gewünscht, wurden raumhohe Schiebetüren verwendet. Ein Haus- und ein Dachgarten ergänzen die zehn Wohnungen um Orte für größeres Beisammensein.
DATEN
Baugruppenberatung: MoWo OG, Birgit Kaucky / Arnold Brückner
Projektbegleitung/-aufstellung: Raum und Kommunikation GmbH
Planung: Juli 2012 - Dezember 2014
Ausführung: Oktober 2014 - Oktober 2015
Anzahl der Wohnungen: 10, 60 - 180 m2
Wohnfläche: 800 m2
PKW-Stellplätze: 2
bebaute Fläche: 191 m2
Bruttogrundfläche a+b: 1.166 m2
Grundstücksfläche: 342 m2
BGF / NF: 0,69 / GFZ: 3,39 / GRZ: 0,56
Energieeffizienzklasse B / HWB: 31,56 kWh/m²a