Am 25. Oktober, am späten Freitagnachmittag füllte sich der neue Mehrzwecksaal der Fachschule für Land- und Forstwirtschaft Grottenhof Graz nicht mit SportlerInnen, sondern mit eher ungewohntem Publikum: Zur biennalen Verleihung der Geramb-Rose, einem der ältesten und höchstdotierten steirischen Preise für Baukultur, versammelten sich Politik, Verwaltung, Bauherrenschaft, Planende und Ausführende, um herausragende Beispiele für die Weiterentwicklung unserer gebauten Umwelten zu feiern.
Das ehemalige „Geramb-Dankzeichen für Gutes Bauen“, erstmals verliehen 1959, mutierte vor allem in den letzten Jahren aus einem traditionsbehafteten und konservativen Preis zu jener nach Innovation duftenden Rose, die alle zwei Jahre vom Verein BauKultur Steiermark vergeben wird. Die inhaltliche Ausrichtung wurde geschärft, Themenschwerpunkte, die auch eine Vergleichbarkeit der eingereichten Projekte ermöglichen, wurden gesetzt.
Nicht zuletzt durch die Klimakrise sind mittlerweile auch nicht-architekturaffine Menschen zur Einsicht gelangt, dass Bestand als Ressource und Lehrbeispiel wertvoll ist und dass darüber hinaus handwerkliches Wissen vielbegehrter Fachkräfte bewahrt werden muss. Alle prämierten Projekte zeigen aber deutlich, dass man auf das Bestehende aufbauen und es weiterentwickeln muss, um sich nicht in einer Spirale der Vergangenheit zu verfangen: Lebendige Baukultur kann sich nicht auf Sanierung und Restaurierung beschränken, und sie entsteht nur im Zusammenwirken aller Beteiligten.
Mit musikalischer Untermalung von Chopping Chello begrüßte Markus Bogensberger als Geschäftsführer des Vereins und Leiter des steirischen Fachteams für Baukultur sehr beschwingt die illustre Runde und eröffnete den Abend. Nach kurzen Grußworten der Gastgeberin und stellvertretenden Direktorin der LFS Grottenhof, Lisa Maurer, und von Vereins-Vorstands-Präsidenten Landesbaudirektor Andreas Tropper trat Landesrätin Ursula Lackner aufs Podium. Erfrischenderweise hielt sie keine offensichtliche Wahlrede, sondern betonte die Relevanz von guter Zusammenarbeit. Zunächst würdigte sie jene ArchitektInnen, die für eine qualitätsvolle Gestaltung der gebauten Umwelt sorgen und Sorge tragen: Kulturgut hinterlässt Spuren, ist sichtbar und ist wirksam, für Jahre und Jahrzehnte. Für eine gute, dauerhafte Gestaltung unseres Lebensraumes ist aber dennoch ein gutes Zusammenspiel unterschiedlicher Disziplinen und auch der politischen und verwaltungstechnischen Ressorts wie z.B. Bau- und Raumordnung oder Regionalentwicklung (die Liste wäre beliebig erweiterbar!) unabdingbar: Alles ist miteinander verwoben und verbunden - keineR schafft es alleine jene Lösungen herbeizuführen, die Sicherheit und Klarheit für die Zukunft geben.
Aus 70 eingereichten Projekten die Rosen herauszufischen, war Aufgabe der divers besetzten Jury: Sandra Gnigler (Mia2 Architektur, Linz), Thomas Hasler (Staufer und Hasler Architekten AG, Frauenfeld/CH), Anna Popelka (ppag architects Wien), der Grazer Architekt Gernot Reisenhofer als Beirat des Vereins Baukultur und schließlich Gustav Spener, der von einem schmunzelnden Markus Bogensberger kurzerhand als „Präsident unserer Herzen“ vorgestellt wurde. (Er ist zudem auch amtierender Präsident der Ziviltechnikerkammer für Steiermark und Kärnten.)
70 Einreichungen waren dem offenen Call gefolgt; in einer sehr schwierigen Vorauswahl wurden daraus 20 Projekte extrahiert. Diese wurden in einer zweitägigen Tour durch die Steiermark besichtigt und nochmals diskutiert: Maximal 10 Rosen dürfen vergeben werden, zuzüglich einer EXTRA-Rose für einen „Klassiker“, der mind. 50 Jahre alt sein muss. Gnigler betont, dass alle Projekte Inspirationsquellen seien, weil sie sich in ihrer je eigenen Art intensiv mit aktuellen Kontexten und Anforderungen auseinandersetzen: Baukultur kommt nicht von der Stange. Bei Betrachtung der Projekte wurde deutlich, wie groß der Unterschied von einem bezugs- und ortlosen Massenneubau zu den mit Hinwendung entwickelten Strukturen und Gebäuden tatsächlich ist. Beurteilt wurden natürlich - den Herausforderungen unserer Zeit folgend - ökologische Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, aber der Fokus lag auf dem, was ein Projekt dem Ort und den dort Anwesenden zurückzugeben vermag, was ein Bauwerk genau dort, wo es ist, zu bewegen vermag.
Dass genau diese Frage schon immer ein gutes Konzept für Architektur war, zeigt jenes Projekt, das in der Sonderkategorie Geramb-Klassiker ausgezeichnet wurde: das Freibad in Fehring von der Werkgruppe Graz, deren Mitglieder Werner Hollomey und Eugen Gross den Preis gutgelaunt und unter wertschätzendem, anhaltendem Beifall entgegennahmen. Im Projekt selbst findet sich eine noch weiter gespannte (und spannende) Brücke in die Vergangenheit: Die grundlegende Inspiration für das hier angewandte modulare und industrielle Bauen entstand nicht zuletzt unter dem Einfluss von Konrad Wachsmann, der in den 1950er und -60er Jahren mit Architekturseminaren in Salzburg eine Vielzahl österreichischer ArchitektInnen prägte. Die Bauherrschaft Stadtgemeinde Fehring hat die Grundkonzeption und Qualität gut verstanden und gepflegt: Sorgfältige Instandhaltung und -setzung erhielten die japanisch angehauchte Ästhetik und den freien Fluss des Landschaftsraumes unter den filigranen Baukörpern auch nach jahrzehntelanger Nutzung in einem ausgezeichneten Zustand.
Nicht ganz überraschend - siehe Veranstaltungsort - kam die nächste Rose, die an Caspar Wichert Architektur ZT GmbH und Open South North Architecture Practice ZT Gmbh bzw. an die Landesimmobilien Steiermark als Bauherrin der LFS Grottenhof verleihen wurde. Seitens Jury wurde die Vereinigung von renoviertem Bestand und dem topografisch eingebundenem Zubau aus Holz zu einem inspirierenden Bio-Kompetenzzentrum hervorgehoben: „Der gesamtheitliche Ansatz vereint Bildungseinrichtung, Bio-Markt und Bio-Wochenmarkt sowie ein architektonisches Konzept mit Fokus auf größtmögliche Ressourcenschonung und Ressourceneinsparung.“
Die nächste Rose für den Bildungscampus Zeltweg konnte die ARGE reitmayr architekten - balloon architekten ZT-OG zusammen mit Bauherrschaft Gemeinde Zeltweg Immobilien GmbH in Empfang nehmen: Die Neugestaltung der Schulen und ihres Umfelds schafft nicht nur eine angenehme Lernumgebung, sondern wertet durch eine Neuorganisation der Freibereiche auch die Innenstadt von Zeltweg auf. Öffentlichkeit, Bespielbarkeit und Barrierefreiheit samt Verkehrsberuhigung stehen dabei im Fokus. Die Anpassung und Adaptierung der heterogenen, mehrfach überformten und verschieden alten Bestandsgebäude an die neuesten pädagogischen Konzepte werden von der Jury gar als „Herkules-Aufgabe“ bezeichnet.
Am ehemaligen Grazer Institut für Pathologie implementierten Franz und Sue ZT Gmbh zusammen mit der Bundesimmobiliengesellschaft den neuen Anatomielehrstuhl der Med Uni Graz. Die Rose für das neue Lehr- und Forschungsgebäude wurde für die Ergänzung des ausgezeichnet renovierten Bestandsbaus durch einen hochkomplexen Neubau verliehen: Dieser zeigt die logistischen Anforderungen, indem er bewusst als Maschine mit offen geführten technischen Leitungen konzipiert wurde und so einen spannenden Kontrast zum Altbau bildet. Durch einen großen, unterirdischen Hörsaal sind beide Gebäude verbunden.
Die nächste Rose wanderte in den Süden: Gangoly & Kristiner Architekten ZT GmbH wurde mit Bauherrin Marktgemeinde Gamlitz für das Haus der Vereine gewürdigt, eine gemeinschaftliche Einrichtung für Austausch und Aufenthalt möglichst vieler unterschiedlicher regionaler Vereine. Der aus einem Architekturwettbewerb hervorgegangene einfache Baukörper mit klarem, ruhigen Dach überzeugte die Jury ebenso wie die fein ausgearbeitete Fassade, sowie die präzise Detaillierung und nuancenreiche Farbgestaltung im Inneren.
Klarheit und Einfachheit bestechen auch beim nächsten Projekt, der Voisthalerhütte am Hochschwab, die von Dietger Wissounig Architekten ZT GmbH im Auftrag des Österreichischen Alpenvereins entworfen wurde. Das Projekt im hochalpinen Raum besticht laut Jury durch Bescheidenheit und Respekt vor der Umgebung. Soweit wie irgend möglich in Holz errichtet, bietet die neue Schutzhütte Schlafplätze in zwei Obergeschossen und beeindruckende Aussichten auf die umgebenden Felskonfigurationen.
Dass Barock und Purismus sich gut vertragen können, stellt Sanierung, Umbau und Umnutzung des denkmalgeschützten Pfarrhofs in Hartberg unter Beweis. Geplant von epps Ploder Simon ZT Gmbh für Bauherr Oskar Beer zeigt das Projekt, wie durch intelligente Nachnutzung (in diesem Fall als Veranstaltungszentrum samt Gästeunterkünften) eine denkmalgerechte Sanierung und ein würdiger Umgang mit alter Bausubstanz möglich sind. Der Einsatz von qualitätsvollen Materialien bei sensible Eingriffen sorgt für die Berücksichtigung zeitgemäßer funktioneller sowie ästhetischer Anforderungen.
Bereits jetzt war offenbar geworden, dass die Paradebeispiele der Baukultur gut über die Steiermark verteilt sind. Umsomehr sorgt die Ankündigung des „kleinsten“ Projektes in der Riege der Geramb-Rosenträger 2024 für Schmunzeln: Wuschan ist nicht in China, sondern ein Ort im Weststeirischen Riedelland. Hier ließen sich Sonja Fröhlich-Graf und Anton Fröhlich von konstruktiv - Studio für Architektur ein Baumhaus errichten, einen perfekt positionierten Ort für eine Auszeit zwischen Baumkronen. Auf filigranen Stützen gelagert und über einen Steg erreichbar sitzt dieser Baukörper versteckt an der Kante zum Wald - anscheinend hielt in diesem Rückzugsort auch die Jury gerne „Einkehr“!
Wenn auch auf gänzlich andere Weise ist der örtliche Kontext auch im Haus F in Fladnitz an der Teichalm sicht- und spürbar: Malek Herbst Architekten ZT GmbH sanierten einen ehemaligen Kleinstgasthof samt Stadl und führten ihn einer Wohnnutzung zu, wobei das charakteristische, ortbildprägende Erscheinungsbild weitgehend erhalten wurde. Während beim Gasthof nur minimalistische Eingriffe nötig waren, musste für eine funktionelle Adaptierung des Stadls tiefergreifend interveniert werden: Die Erdgeschoss-Mauern sind nun aus Dämmbeton, der Dachstuhl wurde gedämmt und verstärkt, eine großzügige Glasfläche anstelle des alten Scheunentors ermöglicht Ein- und Ausblicke zu Straße und Nachbarschaft.
Gewohntes neu interpretiert findet sich auch im Zweifamilienwohnhaus S in Admont.
Geplant von KREINERarchitektur ZT GmbH Petra Stiermayr und Philipp Weinberger ZT, lautet das Motto für die Familie Stiermayr: Zueinander hin, nicht voneinander weg. Zwei langgestreckte Baukörper unter einem Dach verbunden schaffen einen intimen und zugleich offenen Hofbereich, erzeugen abgetrennte Wohneinheiten und gemeinsame Loggienbereiche. Die Jury merkt an, dass in diesem Projekt das immer wieder zu ver- und behandelnde Verhältnis zwischen räumlicher Qualität, Kosten und Ausführungsstandard zugunsten der Schaffung der größtmöglichen räumlichen Lebensqualität entschieden wurde.
Last but not least passiert Neues im Dorfzentrum von Teufenbach. Im Auftrag der AMRE Ges.m.b.H. zitierten Lendarchitektur ZT GmbH und Scheiberlammer Architekten ZT GmbH in ihrem neuen Wohngebäude die formalen Bautraditionen der waldreichen Region des Murtals. Zusammen mit der Kirche und dem revitalisierten ehemaligen Pfarrhof wird so inmitten des kleinen Ortes ein Ensemble geschaffen, das zentrale Funktionen wie medizinische Versorgung aufnehmen oder dringenden Wohnbedarf decken kann, und wo darüber hinaus lebendiger öffentlicher Raum entsteht.
Der Ausklang des Abends wurde mit einem beeindruckenden Buffet zelebriert, substantiell angereichert - wie könnte es anders sein? - mit Gesprächen über Baukultur und Architektur, über deren (ideale) Bedeutungen und (materielle) Realitäten: Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose...