13/01/2025

In dieser Ausgabe der Serie "Architekturstiftung liest/ warnt/ empfiehlt" steckt nicht nur eine Warnung vor Verklumpungstendenzen, sondern wohl auch der Aufruf, die Schwellen zwischen öffentlichem und privatem Raum sorgsam zu behandeln und deren differenzierte Gestaltung gerade im Wohnbau vehementer einzufordern. 

13/01/2025

„Berresgasse“

©: Maik Novotny

Wien rühmt sich seines sozialen Wohnbaus, und ja, dafür gibt es auch heute noch gute Gründe. Das stetig verfeinerte System der Bauträgerwettbewerbe füllt die Baufelder der Stadtentwicklungsgebiete zuverlässig aus. Doch man fragt sich, wie lange das noch gut geht. Denn von den vier Säulen dieses Systems – Ökologie, Ökonomie, soziale Nachhaltigkeit und Architektur – ist eine bereits im fortgeschrittenen Zustand des Zerbröselns, und zwar die Architektur.

Das ist zumindest der Eindruck, besucht man eines der jüngsten Wiener Stadtquartiere, die Berresgasse in Wien-Donaustadt. Die meisten der Bauten sind bereits bewohnt, die letzten Baulücken werden derzeit geschlossen. Städtebaulich zeigt sich der Zwang, so viele Wohnungen wie möglich auf immer knapper werdendes Bauland zu konzentrieren (Ökonomie!) in einer Adipositas von Bauvolumen. Die inzwischen in Wien zur Regel gewordenen Elfgeschosser kratzen präzise an der Unterkante der 35-Meter-Hochhausgrenze der Wiener Bauordnung und breiten sich gleichzeitig 20 Meter in der Breite aus, um eine wirtschaftliche Mittelgangerschließung mit einseitig belichteten Wohnungen zu ermöglichen (auch hier: Ökonomie!).
Ein energiesparendes Verhältnis von Außenfläche und Volumen (Ökologie!), dessen Verklumpungs-Optik von Plastikfenstern und Styroporfassaden mit zusätzlicher Tristesse angereichert wird. Die Versuche, mit grellen Bonbonfarben sowie rat- und funktionslos an die Fassaden geschraubtem Stahlstabwerk von dieser Verklumpung abzulenken, machen alles noch schlimmer. Auch die Säule der sozialen Nachhaltigkeit zeigt schon erste Risse: Einige der Erdgeschoss-Loggien wurden von den Bewohnern zügig mit mannshohen Bastmatten Palisaden aufmunitioniert, da die Planung an der sinnvollen Abstufung von öffentlich zu privat – trotz reichlich Evidenz aus der Praxis der letzten Jahrzehnte – immer noch scheitert. Das ging alles schon mal besser. Und die Ökonomie ist keine Entschuldigung.

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Unter dem Titel „Die Architekturstiftung liest / warnt / empfiehlt“ schreiben Menschen aus dem Umfeld der Architekturstiftung Österreich in einer (nicht ganz) neuen Serie über alltägliche Beobachtungen und Begebenheiten. Wer das Architektur und Bauforum in der Vergangenheit aufmerksam gelesen hat, erinnert sich an die Vorgängerserie: Die Rubrik erschien in jeder Ausgabe und wurde von der Architekturstiftung und ihren Stiftern betreut. „In knapper Form wird auf aktuelle Phänomene hingewiesen: Wichtiges empfohlen, vor Falschem gewarnt oder Lesetipps gegeben.“ Ab Juni 2024 erscheinen neue kritische, anerkennende wie vermittelnde Beiträge mit Bildmaterial auf GAT.news online.

Tschavgova

Pointiert geschrieben, aber zu erklären, was unter Verklumpung, unter Verklumpungstendenzen und Verklumpungs-Optik gemeint ist, wäre schon notwendig – selbst unter Fachleuten scheint der Begriff in diesem Zusammenhang kein Allgemeinwissen zu sein (zumindest in der Provinz, wo ich 5 meiner Kollegen/Freunde und Freundinnen dazu befragt habe) Keiner konnte mir eine schlüssige Erklärung geben.

Di. 14/01/2025 10:08 Permalink
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