09/11/2005
09/11/2005

Architekt Hubert Rieß

Am 21. Oktober 2005 erhielt der Grazer Architekt Hubert Rieß im Architekturzentrum Wien bei der Verleihung des Wiener Holzbaupreises Wienwood 05, der von proHolz Austria erstmalig vergeben wurde, zwei Preise in der Kategorie Wohnbau: für das Apartmenthaus Sigmund von Dr. Anne-Marie Siegmund in der Nussberggasse 14 in Wien Döbling und für den mehrgeschossigen Wohnbau Spöttlgasse der Sozialbau AG, ebenfalls in Wien.
Lesen Sie nachfolgend einen Auszug aus dem Gespräch, das Maria Nievoll für GAT mit Arch. Hubert Rieß am 02.11.2005 in seinem Büro in der Wienerstraße 6, Graz geführt hat.

Hubert Rieß erzählt......zum Haus Sigmund:
"Das Haus Sigmund war eine langwierige Geschichte, die eigentlich 1998 mit Judenburg begonnen hat. Die Sigmunds haben mich bei der Preisverleihung in der Grazer Burg angesprochen. Sie wollten ein Grundstück im Zuschnitt von 20 x 20 m im Abstand von drei Metern zu ihrer spätgründerzeitlichen Villa bebaut haben. Es ist sehr schön gelegen, am Hang der Weinberge am Leopoldsberg, in den wir die Tiefgarage hineingebaut haben. Um das Volumen unterzubringen, musste ich alle Ausnahmen der Wiener Bauordnung ausnützen. Ich habe vorgefertigte Holzmodule in der Breite von 4 m verwendet, die die Fa. Kulmer in Pischelsdorf fertigt. Die Module haben auch den Vorteil, dass man dem Auftraggeber eine endlose Baustelle erspart. Ich bin so weit wie möglich vom Bestandshaus abgerückt und habe die Einfahrt zur Tiefgarage zwischen die Villa und den Neubau gelegt.
Das Projekt hat in einem langwierigen Prozess zahllose Umplanungen erfahren, die auch zu Neueinreichungen führten etc. Es ist jetzt mit Eiche verschalt und ein richtiges „Edelschachterl“ geworden. Das Flachdach ist begrünt, die Wohnungen zur Straßenseite hin haben 75m² mit 71 m² Garten, die oberen seitlichen haben 101 m², die in der Mitte 111 m² plus Terrasse plus Garten.
Das Haus links vom Grundstück verschafft dem Projekt Luft. Die Lage ist phantastisch, die handwerkliche Qualität sehr hoch, allein die Eichenstiegen innen sind ein technisches Wunderwerk. Dass ich in Holz bauen sollte, war von Anfang an klar, aber wir haben erst ab 2000/2001 begonnen, die Modulbauweise dafür zu untersuchen. Mit dem Baustoff Holz ist ja immer eine Kostenschere verbunden."

...über seine Pionierarbeit im Holzbau - von der Holzriegelbauweise zu den Modulen und weiter zu den Kreuzlagenholzplatten:
"Beim Impulszentrum Graz-West hat das Modulsystem auf Anhieb geklappt. Da bestehen die Bürotrakte aus Modulen, das war günstig. Allerdings wissen viel zu wenig Firmen, wie’s geht. Wir sind jetzt beim 5. System, im sozialen Wohnbau ist uns das noch nicht gelungen.
Es geht dabei ja nicht nur um das Holz, sondern auch um die Behandlung. Holz wendet sich direkt an die Empfindung, es hat einfach diese Qualität. Wenn man Holz nicht richtig verarbeitet, ist es peinlich. Man darf nicht nur in Holz bauen, um dabei zu sein – das ist es nicht! Jetzt haben sie sogar aus Schweden bei uns angefragt, aus dem Herzen des Holzbaus.
Nach Judenburg und Trofaiach, wo wir noch konventionellen Rahmenbau verwendet haben, hat es dann einen Umschwung gegeben:
In der Steiermark, in Katsch an der Mur genau, wird Kreuzlagenholz hergestellt. Die Problematik beim Holz ist ja, dass es einen guten Kern und darum herum den Splint hat. Mit dem Splint verdient man nichts. Deshalb haben sich drei Sägewerksbesitzer zusammengetan und das Holz kreuzweise verleimt und in großen Pressen zusammengepresst. Das ergibt eine große Scheibe."

... zur Spöttlgasse
"Genau dieses Material haben wir in der Spöttlgasse in Wien verwendet. Es ist eine neue Technologie, und mit der Spöttlgasse haben wir echte Pionierarbeit geleistet. Es waren enorme Änderungen mitten drin, das Geld ist im Aufbau verschwunden, in der Grundlagenarbeit.
Der Wiener Anforderungskatalog an den Wohnbau, vertreten durch den Wohnfonds, ist sowieso europaweit Spitze. Wir haben am Mühlweg in Wien jetzt das nächste Projekt: eines von drei Grundstücken, das mittlere. Damit starten wir den nächsten Versuch, aus der Spöttlgasse Lehren zu ziehen. Die Bauteile, die für das Holz strapaziös sind, wollen wir jetzt massiv machen: die Stiegenhäuser und Fluchtwege, die hoch installierten Teile. Die werden von den Zimmern in Holzbaumodulweise flankiert. Die Sanitärräume sind ebenfalls massiv, die haben wir als Verbindung benutzt, um daraus eine stabile Geschichte auch für ein Erdbebengebiet zu machen. Denn Wien ist ja Erdbebengebiet.

...von den nächsten Projekten:
"Für Wien haben wir derzeit drei Projekte in Bearbeitung. Das erste haben wir bereits verloren: gestapelte Reihenhäuser, 150 Wohnungen. Das zweite sind Schrebergartenhäuschen. Wien hat ein eigenes Gesetz dafür, die Schrebergärten sind von der Bauordnung ausgenommen. Es sind aber drei Bestimmungen darauf anzuwenden: Vom 250 m² großen Grundstück dürfen nur 50m² bebaut sein, der Bau darf nicht höher als fünf Meter sein und der Rauminhalt nicht mehr als 250 m³. Das ist eine klassische Sache für den Holzbau. Der Wiener Wohn- und Siedlungsfonds versucht jetzt forciert, Grundstücke zu kaufen, anders, als das in Graz der Fall ist, wo es ja keine Grundstücksbevorratung gibt. Diese Wohnungen müssen mit 180 – 250 Euro/m² Grundkosten für Familien leistbar sein, denn Wien hat ja das Problem, dass Familien, die im Grünen wohnen möchten, nach Burgenland, Niederösterreich, Gänserndorf etc. absiedeln. Der Fonds schreibt daher vermehrt Projekte in diesen Kategorien aus, in der Widmungskategorie „Gartensiedlung“, in der 1/3 des Grundstückes bebaubar ist, mit 5,50 m Traufenhöhe. Da bietet sich ein ideales Einsatzfeld für den Holzbau. Der Geschossbau ist mit 1200 Euro/m² reine Baukosten dagegen eine Herausforderung."

...über seine Krankheit, Module zusammenzustellen:
"Die Kombination der Module ist unheimlich spannend. Ich habe beispielsweise ein Projekt für den Lendkai, für die Garage der Fahrzeuge des Landes, entworfen, indem ich Holzmodule auf die Garage hinaufmontiert und fotografiert habe. Module zusammenzustellen war nämlich eine richtige Krankheit von mir. Die Garage ist ja voll an alle Netze angeschlossen, man müsste die Module nur draufstellen und hätte 17 Maisonetten mitten in der Stadt."KURZBIOGRAFIE:
Hubert Rieß wurde 1946 in Obernberg am Inn (OÖ) geboren. Er studierte von 1967-76 Architektur an der Technischen Universität Graz. Von 1976-77 war er Assistent von Gastprofessor Jan Gezelius / Stockholm an der TU Graz und hatte von 1978-79 ein Stipendium in Stockholm. Seit 1979 ist er Lektor an der TU Graz. Rieß war u. a. Mitarbeiter von Jan Gezelius und Ralph Erskine und ist seit 1985 selbständiger Architekt in Graz. Seit 1994 lehrt er an der Hochschule für Architektur und Bauwesen der Universität Weimar.

Realisierte Projekte (Auswahl):
1973 Holzhaus Dietmar Riess
1987 Wohnanlage Wienerbergründe, Graz (mit Ralph Erskine)
1985 Haus Öttl (Geramb Rose)
1989 Wohnbebauung Knittelfeld
1995 Veranstaltungszentrum Judenburg - Umbau und Neugestaltung
1998 Holzwohnbau Judenburg (Architekturpreis des Landes Steiermark 1998)
2000 Holzwohnbau Trofaiach (Steir. Holzbaupreis 2001)
2004 Impulszentrum Graz-West (Steir. Holzbaupreis 2005)

KONTAKT:
Arch DI Hubert Rieß
Wiener Straße 6, 8010 Graz
T +43 (316) 716 519
F +43 (316) 712 562
office@architekt-riess.at

Verfasser/in:
Maria Nievoll, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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