Nach dem Brand der Rösselmühle fragen sich viele, was dort wohl in naher Zukunft geschehen wird. Der Brand der Mühle und die intensive Berichterstattung haben auch eine interessante Diskussion in der Grazer Bevölkerung um die Zukunft des Areals ausgelöst. Eine Nutzung als Wohnquartier wird von vielen als nicht wünschenswert gesehen.
Die Investoren wollen möglichst rasch ein Wohnquartier errichten und hoffen, dass ein zweistufiger Wettbewerb bald stattfinden kann. Sie machen Druck auf die Stadt.
Warum muss nun alles so schnell gehen?
Warum hudeln?
Warum nicht mit der Bevölkerung und lokalen Stakeholdern über eine zukunftsorientierte und ganzheitliche Stadtteilentwicklung reden?
Warum nicht historische Bestandsgebäude wertschätzen und in die Stadtteilentwicklung einbeziehen?
Warum nicht gründlich erheben, was im Stadtteil gebraucht, gewünscht oder abgelehnt wird?
Warum nicht jetzt die Weichen für eine Vorzeige-Stadtteilentwicklung stellen?
Der Stadtteil, der entwickelt werden soll und muss, ist bedeutend größer als das Areal der Postgarage und der Rösselmühle. Er erstreckt sich vom Rösselmühlpark, Postgarage, Rösselmühle, über den Oeverseepark, die leerstehende Köstenbaummühle mit ihren brachliegenden Grundstücken bis zum City-Park. Großteils besteht Bebauungsplanpflicht.
Das Entwicklungsgebiet wird von Parkanlagen und vier am Mühlgang liegenden historisch bedeutsamen Gebäuden geprägt. Von Norden beginnend sind das die denkmalgeschützte Postgarage, ehemalige Artillerie-Reitschule und später Garage für Postbusse, die Rösselmühle, die älteste Grazer Mühle, die aus dem 15. Jhdt. stammende Köstenbaummühle und die ehemalige Lederstampfe und Puch-Fahrradwerkstätte im Süden.
Bei der Entwicklung dieses Stadtteils sollte aus den Fehlern, die bei der Entwicklung der Karlauerstraße gemacht wurden, gelernt werden. Diese wurde nahezu ausschließlich von den Investorenwünschen angetrieben. Das Gebiet wurde auf mehrere Bebauungsplanquartiere, die jeweils im Anlassfall geplant wurden, aufgeteilt, ohne auf Zusammenhänge, Erfordernisse und Synergien zu achten und ohne die Interessen der Stadt ausreichend zu sichern. Jedes Mal wurde die Überschreitung der Maximaldichte laut Flächenwidmungsplan ohne Begründung gewährt, in einem Fall sogar von 2,5 auf 2,73. Und das für eine fast 100%ige Wohnnutzung im Kerngebiet. Trauriges Ergebnis: 654 Wohnungen für ca. 1600 Bewohner:innen ohne Kindergarten, ohne Schule, ohne Sportplatz. Also Wohnen ohne Alles.
Bürgermeisterin Elke Kahr und Judith Schwentner wollen sich beim Areal Rösselmühle und Postgarage nicht unter Druck setzen lassen, das ist gut so.
Wichtig wäre es nun aber, möglichst schnell einen qualitativen, partizipativen Entwicklungsprozess für den Stadtteil Postgarage bis City Park anzustoßen.
- Dieser Prozess muss sich von allen üblichen Methoden der Stadtteilentwicklung, die in Graz bisher angewandt wurden, unterscheiden.
- Es muss ein Bottom-up und nicht ein Top-down Prozess sein.
- Dieser muss unter breiter Beteiligung der Bevölkerung Antworten auf die Herausforderung der Klimakrise geben.
- Er muss vielfältige Angebote und Lösungen für eine komplexe Gesellschaft und all ihre Herausforderungen schaffen und den, für eine soziale Stadt notwendigen, öffentlichen Raum sicherstellen.
- Er muss die für Graz und Gries bedeutsamen, historischen Gebäude soweit wie möglich schützen und als identitätsstiftende Elemente in die Neuentwicklung integrieren.
Weitere Wohnquartiere ohne Angebote für soziales Miteinander, Kultur, Bildung, Freizeit und Sport kann sich Graz nicht mehr leisten.