Gerne ergreife ich die Gelegenheit, anlässlich der Fertigstellung meines Projekts zur Erweiterung des Gymnasiums in der Zehnergasse in Wiener Neustadt über Schulräume und Herausforderungen an lerngerechte Schulkonzepte allgmein nachzudenken.
Schule als Ort und Institution ist vor allem ein öffentlicher Raum. Im Kindergarten, danach in jeder Schul-Stufe treffen Kinder und Jugendliche auf "andere" Menschen, die nicht ihrer Familie oder ihrem Freundeskreis zugehören. Freundschaften und Konflikte, die dabei entstehen, Bosheits- und Solidaritätsmomente gleichen Situationen im Leben außerhalb der Schule. Das ist die Idee von "Öffentlichkeit", wie ich sie in Sachen Schule und anderen sozialen Räumen verstehe: als Ort, wo das Zusammenkommen sowohl Konflikte als auch ein Lernen des Umgangs damit herausfordert. Und solches Zugestehen von Dissens ermöglicht das Entstehen von demokratischem Raum.
Schulräume werden aber auch immer mehr zu "Wohnräumen" oder Aufenthaltsräumen des Lebens unter der Woche. Ein Schulbau kann sich nicht reduzieren auf aneinandergereihte Klassenzimmer entlang von Gängen, sondern braucht Wohnzimmer, Balkone, Terrassen, kleine oder sehr große Zimmer. Raum als dritter Pädagoge ist da ein geflügeltes Wort. Das 60m2-Klassenzimmer wurde über Jahrzehnte für Monolog-Unterricht mit 20-30 SchülerInnen entwickelt. Dass Monolog-Unterricht längst unzureichend ist, ist heute Mainstream; allein, die Schulgebäude haben sich nicht (mit-)geändert. Nicht nur ist Umbauen oder Niederreißen von Wänden im laufenden Betrieb aufwändig: Architektur selbst ist eine langsame Disziplin. Weder PlanerInnen noch Auftraggeber wagen schnell, neue Experimente zu bauen, die dann lange Zeit benutzt werden. Und doch: Auch die disziplinierende Schule der letzten 100 Jahre war einmal Experiment, wurden doch davor Kinder unterschiedlichen Alters in gemeinsamen Räumen unterrichtet und hatten auch räumlich die Möglichkeit, einander zu helfen und voneinander zu lernen.
Mit digitalen Medien und in Kleingruppen lässt sich heute überall lernen, vielleicht sogar überall besser als im Standard-Klassenzimmer. Schon eine Raumnische, ein Erker macht einen Unterschied. Derzeit reüssiert das Konzept des Clusters von Klassen rund um "Marktplätze"; ich kann mir aber noch viel grundlegendere Änderungen im Schulbau vorstellen. Im besten Fall kann ein guter Schulbau mögliche zukünftige Schulkonzepte räumlich umsetzen, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen.
Doch Schulräume sind auch ideologische Räume, politisch umkämpft. Verfolgbar ist das anhand der Debatte zur Ganztagsschule, noch mehr, wenn es um Umstellung auf Gesamtschulen – im Sinn gleicher Chancen für alle Kinder – geht. Es liegt aber nunmal in der Verantwortung der Öffentlichkeit, jedem Kind zum (gleichen) Recht auf Bildung zu verhelfen. Außerdem: Schüler und Schülerinnen haben ein Recht auf Konsumfreiheit und werbefreie Schule. Und nicht zuletzt: Wir sollten mindestens so viel in Pausenräume und -zeiten investieren wie in Schulräume!