Ein Blick in die Landschaft*en vollzieht sich immer auch entlang von Texten. Es sind einzelne Sätze, oder ganze Passagen, die scheinbar für oder ausgehend von den jeweiligen Beobachtungen und Zuständen geschrieben worden sind. Sie sind Begleiter, die man mit sich trägt, während man sich durch die Umgebungen bewegt. Manche davon wirken schwerer, als andere, und manche als Gegengewicht für die Welt*en, die stets und immer weiter und weitreichender aus den Fugen geraten.
Wo man auch hinsieht, Schönheit wird inszeniert und ausgestellt, um im nächsten Moment zerstört zu werden. (1)
denke ich etwa, während ich durch die ausapernden Wiesen und Hänge des Hochplateaus laufe. Die Alpen erfüllen für Menschen vor allem einen Zweck, sind funktionalisierte Landschaften, je nachdem, welche Bedürfnisse gestillt werden sollen, wofür sie gebraucht werden. Die Natur wird zur Fläche, zum Austragungsort dieser Sehnsüchte – dem Wandern, dem (Lang)Laufen, dem Schitourengehen, dem Mountainbiken, dem Radfahren, dem Schwimmen. Es kommt zur Fragmentierung, wie Werner Bätzing schreibt (2), einer Fragmentierung, in bzw. durch die Zusammenhänge verloren gehen – das Wissen darum, das Bewusstsein dafür. Dafür, dass Handlungen Konsequenzen haben und welche, dafür, dass Umgebungen stets in Verbindungen, in Verknüpfungen existieren und welche Aktion*en welche Reaktion*en hervorrufen, ab wann etwas kippt und unwiderruflich verloren ist.
one day it will be the last day. (3)
schreibt Cody-Rose Clevidence in jenem Band, der mich seit mittlerweile einem guten Jahr begleitet. Zeile für Zeile sind es Sätze, die nicht nur einen Blick auf und in die Welt werfen, sondern die selbst Welten sind. Sätze, die stets in Verknüpfungen existieren. Verknüpfungen, die sich aus dem eigenen Lesen, aus der eigenen Biografie, den eigenen Sehnsüchten und Ängsten, dem eigenen Taumeln, den Tumulten herstellen.
And when everything is over
Nothing will be left
And you will hear it
heißt ein Ausstellungsbeitrag von Joar Nango, den ich zu einem Teil einer eigenen Sammlung gemacht habe, an Liebesbriefen – an Menschen und Begegnungen, an den Klang einer Stimme, an die Liebe an sich, an Titel von Arbeiten. Arbeiten wie jener Joar Nangos'. Es sind vor allem Arbeiten mit einem Blick auf und in die Umgebung, in die Umwelt*en, ein Blick, der am Wissen der Sámi geschult ist, jener indigenen Bevölkerung, zu der auch Nango gehört, und deren Lebens- und Kulturraum sich über Norwegen, Schweden, Finnland und einen Teil der Halbinsel Kola in Russland erstreckt.
Es ist eine ähnliche Stille, oder zumindest die Vorstellung davon, die ich höre, während ich durch die ausapernden Wiesen und Hänge des Hochplateaus laufe. Die Alpen erfüllen für Menschen vor allem einen Zweck, sind funktionalisierte Landschaften, je nachdem, welche Bedürfnisse gestillt werden sollen, wofür sie gebraucht werden. Die Natur wird zur Fl Es ist eine Stille, die davon erzählt, am Ende der Saison, in den Zwischenräumen, dass die Landschaft*en hier vorübergehend ihren Zweck verloren haben, einen Zweck, den sie so lange erfüllen, bis sie vollständig verschwunden sind.
____________ Quellen
1 Teresa Präauer: Mädchen. Göttingen: Wallstein 2022, S. 49.
2 Werner Bätzing: Die Alpen. München: C.H. Beck 2015, S. 19.
3 Cody-Rose Clevidence: Listen My Friend, This Is the Dream I Dreamed Last Night. Brooklyn/NY: The Song Cave 2021, S. 54.