Ins Zentrum gerückt: Was nach dem Bezug eines Wohn- und Geschäftshauses und nach Überarbeitung einer bestehenden Planung ihrer öffentlichen Flächen entstand.
Vor genau einem Jahr schrieb ich an dieser Stelle über die Notwendigkeit strategischer Planung bei der derzeit angesagten Initiative zur Entwicklung von Graz durch Verdichtung. Eine solch umfassende Planung kann man kaum als Blick und Raster über die gesamte Stadt erwarten, wohl aber über einzelne städtische Zonen – Quartiere, Viertel und Bezirke – die als Entwicklungsgebiete zum Stadtumbau und Stadtausbau in den Fokus rücken. Eine vorausschauende Planung für einzelne städtische Teilgebiete würde den „Wildwuchs“ einschränken, das ungeordnete sich Breitmachen von Investoren, die ausschließlich Partikularinteressen folgen. Der noch am Markt verfügbare Grund und Boden wird so zur Spekulationsbasis im Bestreben, im derzeit (noch) günstigen Fahrwasser von Finanzspekulation und daraus resultierendem Anlegerhype mitzusegeln.
Eine Gesamtplanung hingegen, folgte sie einer gründlichen Analyse bis in feinste Verästelungen des öffentlichen und privaten Lebens, würde technische und soziale Infrastruktur und öffentliche Einrichtungen zur Versorgung eines Stadtteils mitdenken, hätte Verkehrsströme und -kapazitäten untersucht und würde sie lenken zugunsten einer fußgänger- und radfreundlichen Gestaltung von Routen und Plätzen.
Es mehren sich die Nachrichten über Kommunen, auch über österreichische, die vorläufig einen teilweisen oder gesamten Baustopp erlassen haben, um die Entwicklung ihrer Städte und Stadtteile besser steuern zu können. Was braucht es dazu (ich wiederhole mich)? Ein Entwicklungskonzept, basierend auf einer gründlichen Untersuchung von Entwicklungspotenzialen und Entwicklungsmöglichkeiten in einzelnen Quartieren und Bezirken. Stadtentwicklungspläne allein sind dafür nicht ausreichend, Leitlinien, die zu allgemein gehalten sind, wohl auch nicht (zu-)treffend. Die vier ambitionierten Stadtrand-Wanderer Adina Camhy, Robin Klengel, Coline Robin und Markus Waitschacher, die im Rahmen des Grazer Kulturjahres 2020 den GrazRand entlanggewandert sind, haben als eine Erkenntnis in ihren Rucksäcken mitgebracht, dass einzelne Bezirke am Stadtrand eine starke, deutlich spür- und sichtbare eigene Identität zeigen. Eggenberg, das 1938 eingemeindet wurde, ist ein gutes Beispiel.
Zu meinem Artikel über Urban Design als Schlüsselbegriff des Stadtumbaus (Harald Bodenschatz) führte mich im Juli 2020 wie oft ein aktuelles Beispiel: die damals gerade fertiggestellte und besiedelte Wohn- und Geschäftshausanlage in der Waltendorfer Hauptstraße, die anstelle der ehemaligen Bäckerei Kotzbeck zum neuen Zentrum von Waltendorf werden sollte. Meine Kritik entzündete sich an der Gestaltung oder besser Nicht-Gestaltung der öffentlich zugänglichen Räume – des Zentrums – die zu diesem Zeitpunkt für jeden und jede zu sehen war. Ein lieblos asphaltierter „Marktplatz“ ohne Bänke und Aufenthaltsqualität, eine baum- und schattenlose Wiesenfläche, auch ohne Sitzgelegenheiten, ein Säulengang, der vor Weihnachten als Durchfahrt zum inneren Hof als Parkplatz verwendet wurde, weil sich seine Bodengestaltung durch nichts abhob von den sie umgebenden Asphaltflächen. Die ganz Eiligen konnten nur durch eine Reihe von verkehrsbehindernden Christbäumen im Betontopf daran gehindert werden, den inneren Hof als ihren Parkplatz direkt vor dem Eingang zum Supermarkt zu sehen. Die Parkgarage in 10 Meter Entfernung war ihnen zu weit entfernt. Ihnen hat man auch nach der Gestaltungs-Nachbesserung noch eine Reihe an Plätzen direkt vor den Geschäften und dem nunmehr neuen Pocket-Park belassen, die Möglichkeit der Durchfahrt gestoppt mit einigen Bänken kreuz und quer, die man am Boden festschraubte (und die Feuerwehrzufahrt?)
Dass zum Zeitpunkt des Bezugs und der Eröffnung nicht nur manches im Argen lag im neuen „Zentrum Waltendorf“ wurde vom Errichter, der ÖWGES, damit erklärt, dass „in enger Abstimmung mit der Abteilung für Grünraum die Gestaltung dieses Bereichs unsererseits gestoppt wurde, um mit einem Landschaftsarchitekten die bestehende Planung nochmals zu überarbeiten“. Vollmundig wurde diese Mitteilung begleitet von einem zweiten Seitenhieb gegen die Journalistin, die es „leider nicht für nötig gehalten hat, mit uns Kontakt aufzunehmen“. Nachdem die Diffamierung schon in den ersten Sätzen des Kommentars der ÖWGES versucht worden war, hatten die Herren wohl im „Eifer des Gefechts“ völlig übersehen, dass sie mit ihrer Erklärung zur Überarbeitung der Freiraum-Planung nach Bauende genau das bestätigt hatten, was die Architekturkritikerin als Resultat genauer Beobachtung kraft ihrer analytischen Fähigkeit als fehlend kritisiert hatte: eben den Plan zu einer hochwertigen Gestaltung der öffentlichen Stadträume der Anlage, Freiflächen und Zugänge – und zwar gemeinsam, gleichwertig und zeitgleich mit der Planung von neuen innerstädtischem Wohn- und Geschäftsraum.
Die Forderung nach vorausschauender und umfassender strategischer Planung von Quartieren, Stadtteilen und neuen Stadtteilzentren eben. Der zweite Ansatz meiner Forderung war, Qualitäten, Verantwortlichkeit und Finanzierung solcher Maßnahmen des Städtischen Umbaus (Bodenschatz) im Vorfeld festzulegen und Kompetenzen zu verteilen. Das könnte Inhalt eines städtebaulichen Vertrags sein und müsste, so meine feste Überzeugung, jedenfalls vom Bauwerber auch finanziell mitgetragen werden. Städte wie Basel oder München zeigen uns Derartiges mit einer „Sozialgerechten Bodensteuer“ oder ähnlichen Abgaben vor, weil die Zeiten vorbei sind, als sich Städte oder Mäzene leisten konnten, Gemeinwohl-Einrichtungen städtischer Entwicklung alleine zu finanzieren.
Wie das im Fall der neuen Zentrumsentwicklung Waltendorf gehandhabt wurde, ist mir bis heute schleierhaft. Der Bauwerber lässt seinerseits die Gestaltung dieses Bereichs stoppen, um sie durch einen Landschaftsarchitekten zu überarbeiten? Wer plante ursprünglich? Wer hatte welche Kompetenz, wer finanzierte die Freiflächen? Ein Investor baut und verkauft und die Stadt richtet Freiflächen und Grünflächen aus und finanziert sie? Wie war es hier?
Dies ist eine Frage. Wenn sie offen beantwortet wird, bin ich gerne bereit, jetzt, nach Maßnahmen zur Verbesserung und der endgültigen Fertigstellung mit Herrn Schaffer (ÖWGES) einen Rundgang durch die Anlage zu machen. Vorausgesetzt Sie, Herr Schaffer, sind ernsthaft interessiert an der offenen Einschätzung einer Expertin, die seit 25 Jahren mit geschultem Auge Qualität in der Architektur bewertet und zu vermitteln versucht. Und die das auch kann ohne Diskussion mit allen Beteiligten.
PS: Übrigens hatten mich die Verkaufspreise für Wohnungen von bis zu 4.000 Euro/m² mit Gartenanteil und 3.500 Euro/m² für andere dazu verführt, anzunehmen, dass die Gemeinnützigkeit der ÖWGES bei diesem Projekt nicht gegeben sei, dass es Gewinnabsichten gab. Sorry für die Fehleinschätzung.
Nachbesserung ja, aber ...
Da wurde ja wirklich etwas geändert oder nachgebessert, wie Frau Tschavgova schreibt. Auch der von der Bäckerei Auer eingerichtete Gastgarten tragt dazu bei, dass es jetzt doch als Zentrum wahrgenommen wird. Nur (2 Fragen)? Warum wurden die Parkplätze in der Reihe vor den Geschäften nicht weggelassen, die jetzt immer noch aussen vor den Balkonen der Bewohner existieren, obwohl die kostenlose, kühle Garage, keine 10 m weiter, meist mindestens halbleer ist. Zwei Behindertenparkplätze hätten gereicht und der Rest hätte der Grünfläche zugute kommen können. Und 2. Was soll der hässliche Radständer, der nachträglich vor den Eingang zu Sparmarkt irgendwie im Innenhof abgestellt wurde und den freien Durchgang verstellt?