Mit fast 100.000 Einwohnern ist Udine nach Triest die zweitgrößte Stadt in Friaul. Mehrmals war ich schon dort, aber nur für ein paar Stunden, diesmal habe ich ein Wochenende dort verbracht und so blieb neben der Besichtigung von touristischen Highlights, wie dem Castello, dem Dom oder dem Tiepolo Museum genügend Zeit, um ausgiebig durch die Stadt zu bummeln, auf Plätzen, in Gastgärten und in Parks Zeit zu verbringen. Und man betrachtet die Stadt mit einem ganz anderen Blick.
Beim Flanieren durch die venezianisch anmutende Altstadt taucht man gleich einmal in das italienische Leben ein. Das historische Zentrum mutet fast wie ein einziger Open-Air-Salon an, wo man sich nach der Arbeit trifft und einem der beliebtesten Bräuche frönt: man trinkt ein gutes Glas Weins in geselliger Runde (tajut). Stundenlang möchte man auf der arkadengesäumten Piazza Giacomo Matteotti oder der Piazza della Libertá sitzen, Espresso um 1,30 oder in einer der vielen Osterien ein Glas Wein um 2,0 Euro trinken.
Nach kurzer Zeit fällt einem in dieser schönen, eleganten Stadt auf, dass alle Plätze, Straßen und Gehsteige gepflastert sind. Es gibt keinen Asphalt in der gesamten Altstadt! Dafür helles großformatiges Steinpflaster auf den Gehsteigen, Kleinsteinpflaster aus Porphyr in den Straßen und auf Plätzen, oftmals kombiniert mit dem besonders schönen Flusskieselpflaster. Auch bei Neugestaltungen wird dieses Prinzip wie selbstverständlich angewendet. Hat man den Fokus einmal darauf gelegt, merkt man erst, dass dieser einheitliche, nur leicht variierte Bodenbelag aus Natursteinen wesentlich zum Gesamtflair der Stadt beiträgt. Nebenbei ist er auch noch ökologisch wertvoll im Sinne der Schwammstadt. Als Fußgänger*in fühlt man sich prächtig darauf und die Autofahrer*innen scheint es nicht zu stören. Die fahren auf dem Pflaster mit angepasstem niedrigem Tempo. Auch außerhalb der Altstadt sind in Udine die Gehsteige gepflastert. Siehe Google Street-View.
Eine stadtlandschaftliche Besonderheit sind die historischen Kanäle. Von ursprünglich sechs Kanälen gibt es noch drei davon, die sich teilweise sehr romantisch durch die Stadt ziehen. Die Roggia di Ledra, die Roggia di Udine und die Roggia di Palma. Die Roggia di Udine liegt nahe der Piazza Matteotti, gleich nach dem Stadttor. Die Osteria Alla Ghiacciaia hat am Ufer einen romantischen Sitzgarten. Die Roggia die Palma fließt am Rand des Giardino Ricasoli und ist in die Parkgestaltung integriert.
Noch etwas fällt positiv auf: Der Himmel in Udine ist frei, die Beleuchtung hängt nicht auf zwischen Häusern gespannten Seilen, so wie in Graz. Entweder sind Wandlaternen mit Auslegern an den historischen Fassaden montiert, oder es gibt fassadennahe Mastleuchten im gleichen Stil. Dieses an historische Leuchten angelehnte Beleuchtungskonzept zieht sich einheitlich durch das Zentrum, sehr oft bereits auf moderne LED-Technologie umgestellt. Die Lichtstimmung am Abend ist wunderbar.
Durchgehendes edles Pflaster und ein freier Himmel, wie wunderschön ist das.
Am letzten Abend erleben wir eine spontane Musikdarbietung auf der Piazza 1. Maggio im Giardin Grande. Eine junge, freche Blaskapelle tritt auf, der Sänger verstärkt seine Stimme mit einem Megafon, die Gäste eines Kiosks direkt daneben haben viel Spaß und wir auch. Eine mitreissende Stimmung, die an La Strada in Graz erinnert.
Weniger Asphalt, mehr Pflaster, sowie ein freierer Himmel würden auch der Kulturhauptstadt Graz gut stehen.