21/02/2022

MINUS Kein Faschingsscherz – Die Stadt Graz schädigt sich selbst

Gesunde Pappeln mussten aufgrund von Mängeln und Fehlern im Bebauungsplan 05.33.0. der Tiefgarage eines Neubaus weichen. Zusätzlich schaden nicht eingehaltene Abstandsvorgaben letztlich auch die Stadt Graz als Eigentümer des Nachbargrundstücks.

21/02/2022

GBG Grundstück nachdem Pappeln und Einzelbaum geschlägert wurden

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Pappeln am GBG Grundstück im gesunden Zustand

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Pappeln und die private Zufahrtsstraße zum JUFA Hotel Graz City

©: Elisabeth Kabelis-Lechner

Das neue Gebäude steht ohne ausreichenden Abstand zur privaten Zufahrt (Rendering IFA AG)

Luftbild, Idlhofgasse 70-72 vor dem Baustart (Screenshot, Stadt Graz)

Nachdem ich die Schlägerung von 23 gesunden Pappeln in der Idlhofgasse 74 entdeckt hatte, schickte ich am 7. Februar eine Sachverhaltsdarstellung mit Fotos an das Büro der Vizebürgermeisterin Judith Schwentner und an die Initiative Unverwechselbares Graz. Am Sonntag, den 20. Februar, titelte dann „Der Grazer“ in Bezugnahme auf ein Facebook-Posting der Initiative: „Stadt fällte 23 gesunde Pappeln“.

Die Gebäude- und Baumangement GBG ist Eigentümerin des Grundstückes 937/2 in der Idlhofgasse, auf dem sich die Gebäude des JUFA Hotel Graz City befinden und auch bis vor kurzem die 23 gesunden Pappeln standen. Am Nachbargrundstück errichtet die Firma Pongratz für die IFA AG Institut für Anlageberatung 89 Anlegerwohnungen und eine Tiefgarage mit 75 Stellplätzen. 

Der Artikel im Grazer kritisiert vor allem, dass der Bebauungsplan die Pappeln zwar als Bestand oberirdisch berücksichtigte, nicht aber den Fortbestand durch entsprechende Maßnahmen im Bebauungsplan schützte. Das Stadtplanungsamt verabsäumte es, eine unterirdische Verbauung über die Baugrenzlinie hinaus bis zur Grundgrenze auszuschließen. Damit erteilte das Amt dem Investor einen Freibrief, die Tiefgarage bis an die Grundgrenze zu bauen, was den Tod für die 23 grenznah stehenden Bäume bedeutete. Für den Investor war dies ein großer Vorteil.

Dass dann noch der Eigentümer GBG um die Schlägerung ansuchen musste, grenzt an Hohn. Auch wenn 23 Ersatzpflanzungen erfolgen müssen, wird es viele Jahre dauern bis die Pappeln diese klimawirksame Größe erreichen werden. Interessant wird auch sein, wo diese 23 neuen Bäume gepflanzt werden, am IFA-Grundstück oder am GBG-Grundstück und wer übernimmt die Kosten dafür? Es wird auch zu beobachten sein, ob tatsächlich alle 23 Bäume gepflanzt werden, oder der Investor um Ausnahmeregelung ansucht? 

Der Bebauungsplan weist aber noch einen weiteren, gravierenden Fehler auf, der den Investor massiv begünstigt. Das Grundstück der GBG wird in seiner Verwertbarkeit und damit auch in seinem monetären Wert stark beschädigt.

Die Firma Pongratz kaufte mehrere Grundstücke in der Idlhofgasse 70, 72 und 72a und suchte um einen Bebauungsplan an. Das Stadtplanungsamt erstellte einen Bebauungsplan auf Basis einer Vorplanung von Architekt Zieseritsch. Dabei unterlief dem Amt ein gravierender Fehler: eine private Zufahrt, welche Teil des südlich und westlich angrenzenden Grundstücks 937/2 der GBG ist, wurde als öffentliche Verkehrsfläche betrachtet. (Anmerkung: die Grenzabstandsregeln § 13 StmK.BauG. gelten nicht für Gebäude zu öffentlichen Verkehrsflächen) Somit wurde die südliche Baugrenzlinie mit lediglich 5m Abstand festgesetzt, wobei Balkone noch 2 m darüber ragen dürfen. Das bedeutet einen effektiven Grenzabstand von nur 3 m statt 9 m laut Baugesetz. Der Grundeigentümer ist die GBG, JUFA Hotel Graz City besitzt das Baurecht auf dem Grundstück.

Conclusio: Die Firma Pongratz bekam durch diesen Fehler des Stadtplanungsamts 1750 m2  zusätzliche Bruttogeschossfläche „geschenkt“, die GBG als Grundeigentümerin wurde vom Stadtplanungsamt geschädigt. Die GBG ließ das geschehen bzw. erkannte die Problematik nicht, was nicht gerade für gutes Grundstückmanagement spricht. Bei einer zukünftigen straßenseitigen Verbauung müsste die GBG nun den um 6 m zu geringen Abstand am IFA-Areal zu ihren Lasten kompensieren. In Bruttogeschossfläche umgerechnet ergibt das bei fiktiven 5 Geschossen ein Minus von ca. 450 m2 Bruttogeschossfläche für die GBG. 

Die GBG ist zwar offiziell Grundeigentümerin, das Grundstück gehört sowie auch Parkanlagen in Wahrheit der Stadt Graz. Diese hat in mehreren Tranchen städtische Liegenschaften an die GBG transferiert. 

So gesehen haben nun zwei Ämter der Stadt Graz in Wahrheit die Stadt selbst geschädigt bzw. benachteiligt.

ECKDATEN ZUM PROJEKT (Quelle IFA)
6.096 m² Nutzfläche lt. Nutzwertgutachten
28,3 Mio. Euro Gesamtinvestitionssumme
89 Wohnungen von 33 m² bis 95 m²
1 Geschäftslokal (Cafe)
großzügige Freiflächen mit Eigengärten, Terrasse, Balkon
75 Tiefgaragenplätze

 

Stadtwanderer

Aber im Rendering gibt es die Bäume doch noch - reicht das nicht?
Spaß bzw. Ironie beiseite: so viele Nachteile in Kauf zu nehmen für so eine mediokre Bebauung, deren Fassaden nicht unterscheidbar sind vom mittelmäßigen Wohnbau der 1960er bis 1980 Jahre und in den Wohnungsgrundrissen vermutlich auch nicht, außer dass sie wesentlich weniger großzügig bemessen sein werden als jene aus dem vielgescholtenen Nachkriegssiedlungsbau. Wo führt uns das hin? Was an Baukultur hinterlassen wir in der "Architekturstadt Graz" da an architektonischem Erbe der ersten beiden Dezenien des 21. Jahrhunderts? Wird je eine/r wegen solcher Mittelmäßigkeit nach Graz kommen, um hier Architektur und die Verbindung von Alt und Neu zu erkunden, die angeblich so gut gelingt in Graz? Und noch eine Frage. Werden Beamte je persönlich zur Verantwortung gezogen für derartig gravierende, der Stadt zum Nachteil gereichende Gutachten und Entscheidungen?

Mo. 21/02/2022 2:42 Permalink
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